Paartherapie, Personzentrierte Beratung & Weiterbildung
zertifiziert durch die GwG e.V. & DGfB 

Konflikte in der Partnerschaft

Jennifer Angersbach Paartherapie

"Stabilität und Sicherheit entstehen durch das Überwinden von Konflikten, nicht ducrh Harmonie um jeden Preis." - Jennifer Angersbach 

Oft sitzen Paare in meiner Praxis die mich an den Fels und die Brandung erinnern. Meist ist er der Fels und sie die Brandung. Er wünscht sich mehr Harmonie und sie wünscht sich, er würde sich auch mal beschweren, etwas fordern, Ansprüche stellen, über Probleme reden und sich öffnen. Doch er ist der Fels und ist es gewohnt, dass Wellen auf ihn einpeitschen. Ein trauriges Bild? Da bin ich mir selbst gar nicht so sicher, das entscheide nicht ich. Die Paare die allerdings zu mir kommen, die leiden in der Regel beide darunter. Meist entsteht in der Paartherapie auch ein verzerrtes Bild, nämlich, dass er das Problem sei. Er, der Fels. Warum? Weil er sich ja nicht beschwert, sie, die Brandung hingegen schon. Das Resultat, wir reden viel über ihn und er hat das Gefühl, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Er alles falsch macht. 

Dabei entsteht diese Schieflage ja deswegen, weil sie diejenige ist, die jedes Mal ein Anliegen mitbringt. Er nicht. Wenn mir das auffällt, benenne ich es - manchmal ist das aber gar nicht so offensichtlich, insbesondere dann nicht, wenn er immer wieder betont, dass es ihm wichtig ist, dass es seiner Frau gut geht. Ihr geht es nicht gut, also will er was tun. Manchmal ist dem auch einfach so. Ich möchte niemandem etwas unterstellen. Aber manchmal ist diese Dynamik einfach nicht so klar und beiden nicht bewusst. Im Kern geht es ihr vielleicht gar nicht um 'die Sache', sondern eher um eine Unzufriedenheit in der Beziehung und die vielen 'Aspekte die sie benennt' sind eher unbeholfene Erklärungsversuche für ihre Unzufriedenheit. Vielleicht geht es aber eben auch darum, dass sie ihren Mann kaum kennt, gerne mal für ihn da wäre, für ihn sorgen würde. Das aber eigentlich unmöglich ist, weil er ja nichts braucht. Er ist der Fels, er hält aus.

Paartherapie

Harmonie ist was schönes: Friedlich, leicht, angenehm - sofern sie echt ist. Wer Angst vor Streit und Konflikten hat, sich Unwohl mit großen Emotionen fühlt, Wut mit Aggression oder / und Schwäche gleichsetzt und versucht eher diplomatisch oder gar altruistisch zu agieren, der scheint Harmonie als etwas Lebensnotwendiges repräsentiert zu haben. Harmonie um jeden Preis, auch wenn ich mich, meine Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche dadurch zurückstellen, vielleicht gar verleugnen muss. Hauptsache kein Stress. Hauptsache kein Ärger. Hauptsache Harmonie. Das erklärt auch, warum ich selten etwas fordere, mich auch nicht beschwere und versuche irgendwie einen ruhigen und sicheren Platz in dieser Beziehung zu finden. Bin ich dann aber mit jemandem zusammen, der sich zumutet, fordert, Bedürfnisse benennt und keine Scheu vor Konflikten oder Enttäuschungen hat, kann es immer mehr zu dieser Schieflage kommen, in der beide leiden. Die Brandung als die schwache, ewig Jammernde. Der Fels als der starke, gelassene Ruhige.

Aber vielleicht fange ich von Vorne an.

Der Dialog

Kati und Martin hatten gestern einen großen Streit. Kati ist überfordert mit der Situation zu Hause. Sie hatte es sich so schön ausgemalt, 2 Jahre Elternzeit, das war beim ersten Kind nicht drin. Aber Dank Martins neuem Job, können die zwei sich das finanziell leisten. Martin allerdings hat nun auch mehr Verantwortung, er konnte weder Elternzeit geschweige denn länger als 2 Wochen Urlaub nehmen. Mittlerweile ist die Kleine 1,5 Jahre alt und Kathi zählt schon jetzt die Tage, bis sie in die Kita kommt.

Gestern Abend hatte Kati sich mal wieder bei Martin 'ausgeweint', von ihrem anstrengenden Tag berichtet, wie bedauerlich es ist, dass er keine verlässlichen Arbeitszeiten mehr habe, sie ihn vermisst und hofft, dass sie bald auch wieder Zeit als Liebespaar haben. Martin hat geschwiegen. Er fühlte sich nur angegriffen. Als sei sein Job nicht anstrengend. Als würde er keine Paarzeit vermissen. Als würde er nicht auch gerne öfter zu Hause sein. Aber auf ihm lastet ja auch gerade nicht nur der Druck der Arbeit, sondern auch der finanzielle Druck seine Familie zu ernähren. Und anstatt Dankbarkeit und Anerkennung muss er sich regelmäßig anhören, wie sehr seine Frau doch leidet. (Er selbst redet natürlich nicht über seine Anstrengung, seinen Druck und Stress, aus Sorge dadurch nochmal Öl ins Feuer zu gießen.)

Der Morgen danach...

„Jetzt geht das schon wieder los…“, genervt verdreht Martin die Augen, er ist müde vom Streiten. Kati schießen die Tränen in die Augen, sie hatte lediglich gefragt, ob er schon wisse, wann er heute nach Hause kommt: „Ich wollte doch nur wissen, ob wir mit dem Essen…“ Martins Kiefermuskulatur ist angespannt, er schüttelt mit
dem Kopf: „Ich weiß es nicht“, sagt er scharf. Er kann einfach nicht mehr. Was soll er sich noch alles gefallen lassen und aushalten?

Kati kann die Tränen nicht länger zurückhalten, sie möchte aber nicht, dass Martin es sieht, also wendet sie sich rasch von ihm ab.

Martin greift zu seinem Aktenkoffer und verlässt das Haus. Es ist gerade mal 6:15Uhr, sonst frühstückt er immer noch mit den Kids und fährt gegen 7:00Uhr los.

Was ist da passiert?

Es gibt Menschen, die haben so große Angst vor Streit, sehnen sich nach Harmonie und tun alles, was in ihrer Macht steht, Konflikte zu vermeiden. Diese Menschen lassen sich erstaunlich präzise (aus meiner Erfahrung!) in zwei Kategorien einteilen.

1. „Ich muss etwas tun, um geliebt zu werden!“
Dieser Glaubenssatz beinhaltet, dass sie nach Möglichkeit „perfekt“ sein müssen: Unkompliziert, stark, unabhängig, angepasst, genügsam. Denn wenn sie das nicht sind, fordern oder sich beschweren, würden sie ja an Wert verlieren. Sie schlucken runter und versuchen es allen recht zu machen, bis irgendwann alles aus ihnen herausbricht
Dann gibts nen Rundumschlag, sie werden „unverhältnismäßig“ emotional. Wenn das Gegenüber dann uneinsichtig ist (weil es ja auch gar nicht versteht, woher all diese Wut und Verzweiflung plötzlich kommen) schämen sie sich zutiefst und werden darin bestätigt, nicht fordern zu dürfen und sich zurückzunehmen. Eine Abwärtsspirale. "Jetzt sag ich einmal ehrlich und emotional wie es mir geht und zack, werde ich abgelehnt." Jein, nicht Du wirst abgelehnt, sondern die, für Außenstehend "Unverhältnismäßigkeit Deiner Wut, wird abgelehnt, weil sie nicht verstanden werden kann. Es war doch immer alles gut?!

2. Dann gibt es Menschen, die sind massiv überfordert mit eigenen Emotionen oder denen des Gegenübers. Harmonie ist nicht nur schön, sondern lebensnotwendig. Sie machen die Dinge eher mit sich allein aus, aus Angst vor Konfrontation. Sie explodieren selten, bei ihnen ist es eher eine Impolsion, die für Rückzug und Resignation sorgt.
Sie haben das Gefühl an Wert zu verlieren, gescheitert zu sein, sobald es zum Streit kommt, dann schämen sie sich. Streit oder Wünsche oder Forderungen vom Gegenüber fühlen sich fast an wie eine Niederlage, sie glauben, sie müssten doch WISSEN, was das Gegenüber braucht, denn wenn sie alles RICHTIG machen, dann umgehen sie ja Konflikte und mit den Konflikten eben auch diese großen unangenehmen Gefühle. Für PartnerInnen ist es somit schwer zu sagen, was sie brauchen oder auch sich zu beschweren, weil all das immer mit dem Schuldgefühl des Gegenübers einhergeht. "Ich mach eh immer alles falsch, nichtmal das krieg ich hin!"

In beiden Fällen, entsteht Mangel, Leid und eine große Not, durch ihre Rücksichtnahme. Der Ursprung kann übrigens ähnlich sein: Eine unsichere/unberechenbare Kindheit in der man die Wahl zwischen Flucht (Rückzug) und Kampf (Anpassung) hatte oder in der man sich nur 'tot stellen' konnte und in der es keine adäquate Begleitung bei Emotionalität gab und auch keine entsprechenden Vorbilder, die eine gesunde Emotionsregulation vorgelebt haben. Sie sind überfordert mit den eigenen Affekten.

Sie handeln beide aus Schutz, haben das Gefühl ganz viele „Opfer“ in Form von „Rücksichtnahme“ zu bringen, fühlen sich dadurch ungesehen, missverstanden, weil das Gegenüber von den „Opfern“ ja auch tatsächlich nichts mitbekommt. Sie lassen alles leicht aussehen.
Wer Streit meiden möchte, hat oft „gute Gründe“, zahlt allerdings einen hohen Preis, verzichtet… zu groß die Angst vor Verlust.

Paradox. Sie sehnen sich nach Sicherheit und erzeugen dadurch ein Minenfeld.

Nun zu den Mythen über das Streiten

Je weniger wir streiten, desto besser und stabiler ist unsere Beziehung

Leider lässt sich von der Häufigkeit der Streitigkeiten nicht wirklich ein Rückschluss auf die Stabilität der Beziehung ziehen. Denn wenn zwei Menschen sich permanent nacheinander richten, sind beide vielleicht nicht sonderlich glücklich, drohen irgendwann auszubrechen, streiten jedoch nie. Andere Paare haben sich vielleicht zu Beginn ordentlich aneinander aufgerieben und kennen sich mittlerweile so gut, dass es kaum mehr den Bedarf an Klärung und Spannung gibt. Wieder andere streiten impulsiv, leidenschaftlich, täglich - aber ohne das es von einem als Bedrohnung wahrgenommen wird und die Beziehung dadurch auch sehr stabil und gut ist. Wer also wissen möchte, ob die eigene Beziehung stabil und gut ist, der kann sich vermutlich selbst einmal die Fragen stellen:

Fühle ich mich gesehen, gehört und verstanden?

Werden meine Bedürfnisse gestillt?

Fühle ich mich geliebt?

Diese Antworten habe  definitiv mehr Aussagekraft als die Frequenz der Streitereien.

"Streitlust" wird häufig dann unterstellt, wenn jemand scheinbar nicht 'gut sein lassen' kann. Wenn ständig alles ausdiskutiert werden muss. Aber nur weil Du es gewohnt bist, mit dem Stein im Schuh herumzulaufen, bedeutet das noch lange nicht, dass sich das Gegenüber 'anstellt', wenn es permanent stehen bleibt, um den Stein aus dem Schuh zu schütteln. Ja, das ist nervig und anstrengend. 

Wer beschäftigt sich schon gerne mit den eigenen Unzulänglichkeiten? Doch genau das, das Ansprechen von Bedürfnissen, Wünschen, das Einfordern von Dingen, sorgt für Stabilität und Sicherheit. Niemand muss frieren, nur weil man dem Anderen nicht zumuten will, das Fenster zu schließen. Niemand muss hungern, nur weil man sich selbst nicht die Blöße geben will, zu sagen, dass man noch nicht satt ist. Niemand muss mit einer Blase am Fuß so tun, als sei es ne schöne Wanderung. Es geht weniger darum, dass es Spaß macht zu streiten, viel mehr darum, dass man langfristig aneinander interessiert ist und auf gewisse Dinge eben nicht verzichten möchte.

Natürlich ist es nicht zu viel verlangt, dass so etwas ruhig, sachlich und wertschätzend formuliert wird. Gleichzeitig wird uns ja meist dann bewusst, dass etwas nicht gut läuft, wenn die Verletzung bereits da ist. Und jemand der verletzt ist, der wäre in sich nicht stimmig, wenn er/sie ruhig und sachlich argumentieren würde. Ein Streit ist emotional, sonst wäre es eine Diskussion oder ein Gespräch. Denn in der Regel sind es ja nicht die sachlichen Dinge, über die wir streiten. Es ist nicht die vergessene Mayo, sondern das Gefühl nicht wichtig genug zu sein, sonst hätte er/sie es ja nicht vergessen. Es ist nicht das Handtuch auf dem Boden, das könnten wir rasch aufheben, es ist das Gefühl nicht respektiert zu werden, wenn man zuständig für das Badezimmer ist... und so weiter.

Dr. John Gottman hat in seinen Forschungen sogenannte "Angebote der Zuwendung" herausgefiltert. Kleine Angebote im Alltag, von denen wir uns Bestätigung erhoffen.

"Der neue Käse ist echt lecker, oder?" "Ja, finde ich auch, angenehm mild und doch mit Charakter!"

"Oh, das Hemd steht Dir gut!" "Ja, ich finde, es hat nen tollen Schnitt!"

"So langsam könnte auch mal wieder die Sonne scheinen... Immerhin ist August!" "Da sagst Du was, ich hoffe, es wird nochmal warm!"

Das stärkt die Bindung, gibt Sicherheit und zeigt auch, dass es gerade keine unterschwelligen Konflikte innerhalb der Beziehung gibt. Nun nehmen wir mal die selben Angebote und eine andere Reaktion:

"Der neue Käse ist echt lecker, oder?" "Nee, also mir schmeckt der so gar nicht, lass uns den bitte nicht mehr kaufen!"
"Oh, das Hemd steht Dir gut!" "Findest Du? Also ich finde ich sehe aus wie ein Sack und die Farben sind auch voll ausgeblichen."
"So langsam könnte auch mal wieder die Sonne scheinen... Immerhin ist August!" "Dem Boden fehlt weiterhin Wasser, ich finde es ist schon okay, dass der Herbst jetzt langsam kommt."

Jetzt könnte man argumentieren, dass es doch okay ist, anderer Meinung zu sein. Das ist es auch. Und wer sich hier gerade besonders schwer mit diesen Beispielen getan hat, der ist in sich vielleicht auch etwas unsicher, wünscht sich Anerkennung vom Partner und macht solche Angebote dadurch deutlich häufiger. Gleichzeitig werden eben genau solche Angebote auch gerne genutzt, um aufgestauten Ärger zu übertragen. Man möchte einfach 'DAGEGEN' sein, um eine Distanz zu schaffen, vielleicht auch, weil man nicht gelernt hat gesund und transparent zu kommunizieren, sondern alles subtil und durch die Blume überträgt.

Das wohl häufigste Missverständnis:

"Ich verstehe ja, aber ich sehe es anders."

Oft reicht es schon, wenn ich das Gefühl habe "verstanden zu werden". Verstehen bedeutet nicht, dass man den anderen bestätigt oder ihm/ihr Recht gibt. Sondern es gibt dem Gegenüber das Gefühl, dass es okay ist, dass es gerade gestresst, verärgert, traurig oder verletzt ist. Du musst nicht ähnlich oder gleich empfinden - wie auch? Vielmehr geht es darum sich anerkannt, verstanden und gehört zu fühlen. Und ich kann die Leistung eines Anderen anerkennen - auch ohne das selbst zu können. Warum kann ich nicht auch den Schmerz oder die Wut eines Anderen anerkennen - auch wenn es mir anders geht oder ich in der Situation gelassener wäre?

"Ich bin verletzt."

"Ja, das verstehe ich, aber ich wollte Dich ja nicht verletzen."

Eine Analogie

Du räumst die Spülmaschine aus und just in dem Moment indem Dein Partner oder Deine Partnerin in die Küche kommt, drehst Du Dich gerade, mit dem großen Küchenmesser in der Hand um. Deine Partnerin oder Dein Partner fällt zu Boden. Blutet. Was tust Du?

a) Du rufst den Rettungswagen und leistest erste Hilfe

b) Du erklärst, dass es nicht Deine Absicht war. Du ja verstehen kannst, dass es weh tut, Du aber eigentlich nur was 'Gutes' tun wolltest, weil Du hast ja lediglich die Spülmaschine ausgeräumt...

Und damit ist schon alles gesagt.

Es geht nicht darum, dass die Intention oder die Absicht keinen Raum bekommen sollen. Im Gegenteil, eine Erklärung und auch eine Korrektur des Missverständnisses ist unglaublich wichtig. Aber eben nachrrangig. Zunächst geht es um die Wundversorgung:

"Was genau verletzt Dich so sehr?" "Was bedeutet mein Handeln oder was bedeuten meine Worte für Dich?" "Vielleicht habe ich noch gar nicht verstanden, warum Du gerade so wütend/verletzt/genervt bist, kannst Du es mir nochmal erklären?" "Was würde Dir gerade gut tun?"

Ein "Aber" sorgt für eine Relativierung: Entschuldigung, ABER ... / Ich verstehe ja, ABER ... / Ich liebe Dich, ABER... / Sie haben 1 Millionen gewonnen, ABER...

Ganz banal, jemand hat Hunger. Vermutlich würdest Du in dem Moment nicht auf die Idee kommen, das Gefühl und das damit verbundene Bedürfnis nach Nahrung zu hinterfragen, oder? Und Du könntest sogar selbst pappsatt sein und dennoch anerkennen, dass jemand anderes gerade hungrig ist, oder? Ein wünschenswertes Ziel wäre es, die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers anzuerkennen, zu würdigen und ja nach eigener Kapazität zu stillen oder auch auszuhalten.

Worum geht es eigentlich?

Ich habe es bereits angedeutet und auch in vorangeganegen Folgen ausführlich beschrieben. Menschen sind verschieden und manche Paare sind immer wieder erschrocken über die Andersartigkeit. Mein Freund beispielsweise kann sich viel besser auf Podcasts oder Videos konzentrieren, er hört lieber, als das er liest. Daher schickt er mir auch gerne Sprachnachrichten. Sprachnachrichten sind aber meine persönliche Hölle. Ich kann Texten viel mehr abgewinnen, als Podcasts oder Videos (Daher gibt es jede Podcastfolge auch als Blog!) Diese Unterschiede sind weder besorgniserregend noch ein Problem. Im Gegenteil, ich verstehe ihn jetzt und nehme Sprachnachrichten auf und er verfasst nun eher Texte an mich. Und selbst wenn ich mal wieder einen längeren Text absende oder er eine Sprachnachricht, so ist das weder eine Provokation, noch sind wir davon genervt, weil wir verstehen. Ohne das Verständnis füreinander und diese Unterschiede kann dies jedoch rasch zum Verhängnis werden. Man empfindet es dann womöglich als 'respektlos' wenn man eine 10min Sprachnachricht bekommt oder aber einen ellenlangen Text. Man ärgert sich, fühlt sich nicht gesehen, interpretiert eine böse Absicht, wo keine ist - weil man nicht miteinander redet. Des lieben Friedens wegen.

Wenn ich mir nun vorstelle, dass ich meinem Freund nicht gesagt hätte, dass mich 10min Sprachnachrichten bereits vor dem 'Hören' ärgern und stressen, um ihm nicht vor den Kopf zu stoßen. Autsch. Wieviel Frust hätte ich dann mit mir rumgeschleppt und an anderer Stelle wieder rausgelassen?

Welche Symbolik hat der Gegenstand / Welche Bedeutung hat diese Situation oder das Verhalten?

Wenn das Gegenüber schonmal im Auto wartet. Stresst oder entstresst Dich das? Wenn das Gegenüber Dich abends überrascht und ausführen möchte, obwohl ihr nicht verabredet gewesen seid: Schön oder Schlimm? Wenn das Gegenüber vergisst etwas aus dem Supermarkt mitzubringen, kann das jedem Mal passieren oder fühlst Du Dich gekränkt? Ich könnte nun jede Perspektive ausführen oder es sein lassen. Ich möchte hier nur verdeutlichen, dass wir ohne Kommunikation, in der wir ehrlich und offen über das reden, was uns gefällt, wie wir Dinge interpretieren und wahrnehmen, nicht herumkommen, wenn wir eine wirklich tiefe und langfristig harmonische Beziehung führen möchten - ohne uns selbst zu verlieren oder immer wieder zurückzunehmen. 

Klar es ist schwer und auch mit Arbeit und Anstrengung verbunden, sich auf einen anderen, fremden Menschen einzulassen und zu beziehen. Und es verbirgt sich sicherlich keine böse Absicht, wenn diese Wünsche nicht unmittelbar umgesetzt werden, dennoch ist es nachvollziehbar, dass es Dich ärgert, wenn das Gegenüber Dir zum dritten Mal Wein mitbringt, obwohl er / sie mittlerweile wissen müsste, dass Du diesen nicht trinkst. 

Gerade Menschen, die sehr auf Harmonie bedacht sind und Angst davor haben etwas falsch zu machen tendieren manchmal dazu, übers Ziel hinaus zu schießen. Sie bringen Dir immer wieder Vanilleeis mit, obwohl Du Laktosintolerant bist. Ist das eine Provokation? Oder ist das ein Mangel an Kapazitäten, weil sie gerade ums Überleben kämpfen? Für beide ist es anstrengend immer wieder zu korrigieren oder eben korrigiert zu werden. Schürst Du vielleicht unbewusst die Angst vor Fehlern? Wie reagierst Du auf Fehler? Der Wunsch des Gegenübers, die Geste als etwas 'Nettes' anzuerkennen ist nachvollziehbar und doch utopisch, denn Du fühlst Dich nicht gesehen und empfindest Dich immer mehr als Täter, als peitschende Brandung. Weiß das Gegenüber woher diese Not kommt? Was würde ihr oder ihm helfen?

Und zu Guter Letzt: "Die alten Kamellen"

Ein weiterer kleiner Einblick in mein Privatleben. Mein Sohn und ich schauern seit gut 5 Jahren jeden Tag ein bis zwei Folgen Modern Family. Mittlerweile kennen wir jede Folge auswendig und mein Sohn versteht nun auch jeden Gag. Wenn ich mich mal über sein Verhalten ärgere dann fällt mir oft eine Situation aus Modern ein und ich sage dann so was wie: „Och Michel, Du bist gerade wie Cam als er Crepes macht und die ganze Küche versaut und es nicht wegräumt, weil er ganz genau weiß, dass Mitchell es nicht aushalten wird den Saustall zu ertragen.“ Michel versteht sofort und kontert, klar, er ist in der Pubertät, gleichzeitig versteht er sehr genau, worum es mir geht. 

Innerhalb einer Partnerschaft gibt es wiederkehrende Konflikte, denn nur weil die Andersartigkeit der Grund ist, oder Erfahrungen oder alte Muster, so sollten diese ja gemeinsam aufgearbeitet werden, um sich anzunähern. Durch korrigierende Erfahrungen, durch das aufeinander beziehen und durch Rücksichtnahme. Nehmen wir das Beispiel mit den Sprachnachrichten. Das Wissen über die Andersartigkeit nimmt ne Menge Frust raus, ändert aber nichts daran, dass ich sie wirklich nicht mag, mich kosten sie Zeit und sie sind mit mehr Anstrengung verbunden, als ein Text.  Also greife ich eine Situation aus der Vergangenheit auf, sodass mein Freund - ohne dass ich ihm alles neu erklären muss, sofort weiß, worum es mir geht. Alte Kamelle oder ein altes Beispiel für eine aktuelle Situation?

Außerdem kann es sein, dass Konflikte vielleicht bislang nicht vollständig geklärt / verstanden wurden. Wenn jemand sich wiederholt, ist das nicht nur in der Beratung ein Zeichen dafür, dass ich irgendwas noch nicht verstanden habe. Sondern auch in jeder anderen Gesprächssituation. Vielleicht versteht Dein Partner / Deine Partnerin sich auch selbst noch nicht genau und braucht einmal mehr Raum für Exploration. Genervt die Augen zu verdrehen und zu sagen, dass er/sie mal wieder alte Kamellen auf den Tisch bringt, hilft weder Dir noch ihr oder ihm.

Auch hilft es ein Problem, das zunächst einseitig erscheint, als ein gemeinsames Problem zu sehen, immerhin leidest Du ja auch unter dem Dilemma, indem Dein Partner oder Deine Partnerin steckt. Also sei da, hör zu, versuch zu verstehen, worum es wirklich geht.

All das befreit eure Partnerschaft von 'faulen Kompromissen' und Unzufriedenheit, die sich wie eine schwere Decke auf eueren Alltag und euer Leben legt.

Fazit

Streit ist anstrengend, frustrierend, schmerzhaft und WICHTIG!

Eine gute Beziehung ist nicht geprägt von Harmonie, die Häufigkeit von Streitereien sagt erstmal nichts über die Qualität einer Partnerschaft aus. Vielmehr geht es darum, wie ein Paar streitet.
Gründe für den Wunsch nach Harmonie habe ich zu Beginn beschrieben. Den Wunsch Konflikte zu vermeiden, hat nichts mit Desinteresse zu tun, sondern mit den eigenen Konflikterfahrungen aus vorangegangenen Beziehungen (Paarbeziehungen, Freundschaften, Eltern…)

Falls das Gegenüber eher zu den Vermeidern gehört, versuche klar zu benennen, dass es Dir beim Streit nicht darum geht Gründe zu finden, das Gegenüber zu verlassen, sondern darum, beim Gegenüber zu bleiben.

Der Auftakt ist besonders wichtig und oft gelingt es uns nicht, wenn wir emotional sind, diese Emotionen nicht auch voller Leidenschaft zu präsentieren, führt nur meist dazu, dass wir gegeneinander Kämpfen: Angriff führt zum Gegenangriff, zur Verteidigung oder zum Rückzug.

Ein sanfter Einstieg, indem Du klar benennst, warum die vergessene Milch, das "nicht mit einbezogen werden" oder das Verhalten des Gegenübers Dich verletzt oder verärgert, signalisiert den Wunsch nach einer Klärung, statt nach einem Kampf, indem das Gegenüber entweder verlieren oder gewinnen kann.

Falls es eskaliert ist, ihr beide getrennt oder wütend schlafen geht, ist das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen, jeder „schlechte Streit“, kann durch eine spätere Klärung, wenn die Emotionen langsam runtergekocht sind, korrigiert werden und langfristig sorgen diese korrigierenden Erfahrungen für sanftere Konflikte, in denen die Emotionen durchs Aushalten und Verstehen reguliert werden können.

Ein schöner Satz den ich bei Paartherapeut Erich Hegmann gelesen habe, als Notfallhilfe: „Lass uns bitte so streiten, dass ich merke, dass Du mich liebst.“

Und falls ihr da alleine nicht raus kommt. Schreibt mir gerne über das Kontaktformular.

 
 
 
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